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Arbeitsgebiete

Die Entwicklung von synthetischen Rezeptorliganden mit hoher Affinität und hoher Selektivität dient in erster Linie der Bereitstellung von pharmakologischen Werkzeugen sowie deren biologischer Testung. Dadurch sollen grundlegende physiologische und pathophysiologische Funktionen von Signalmolekülen und ihren Rezeptoren aufgeklärt werden. In zweiter Linie stellen diese Liganden potentielle Arzneistoffe dar, mit denen krankhaft veränderte Körperfunktionen wieder normalisiert werden können bzw. ein Ausgleich zur Wiederherstellung des gesunden Zustandes erzeugt wird.

In der Rezeptor-Superfamilie mit sieben putative transmembranären Domänen, welche über heterotrimere G-Proteine mit der Signaltransduktionskaskade verbunden sind, stellen die Neurotransmitter-Rezeptoren eine besonders interessante Gruppe für therapeutische Eingriffsmöglichkeiten dar. Subrezeptoren mit Autorezeptorfunktionen für die endogenen Liganden Dopamin und Histamin repräsentieren die Schwerpunkte dieser Forschung.

Dopaminrezeptoren

Dopaminrezeptoren im menschlichen Gehirn spielen eine wichtige Rolle bei der Steuerung von kognitiven Funktionen, Verhalten, Bewegung sowie verschiedenen neuroendokrinen Sekretionsvorgängen. Während früher diese Mechanismen zwei Rezeptorsubtypen zugeordnet wurden, gelang es durch die Anwendung moderner molekularbiologischer Techniken fünf Rezeptorsubtypen sowie verschiedene Isoformen zu charakterisieren. Die Subtypen werden eingeteilt in die D1-Familie (D1 und D5) und die D2-Familie (D2, D3 und D4). Diese speziellen Katecholaminrezeptoren sind Angriffsziele bei verschiedenen neuropsychiatrischen Erkrankungen wie z.B. Schizophrenie, Morbus Parkinson, Chorea Huntington oder Suchtverhalten. Aufgrund der diskreten Lokalisation von Dopamin-D3-Rezeptoren in limbischen Bereichen des Zentralnervensystems besteht die Hoffnung, daß selektive Liganden eine gewünschte neuroleptische Wirkung entfalten, ohne dabei die extrapyramidalen oder neuroendokrinen Nebenwirkungen bisheriger Arzneistoffe zu entwickeln.

Pramipexol (Mirapex®) stellt einen neu eingeführten Dopaminagonisten zur Therapie bei Morbus Parkinson dar, der zu D3-Rezeptoren eine höhere Affinität aufweist als zu anderen Dopaminrezeptoren. Durch verschiedene strukturelle Veränderungen an dieser Leitverbindung konnten essentielle Elemente für eine Rezeptorbindung aufgezeigt werden. Daneben gelang es die Affinität durch Veränderung des Heterozyklus` zu steigern. Weitere Optimierungsschritte hinsichtlich der Selektivität und des pharmakokinetischen Verhaltens werden derzeit angestrebt. In Kooperation mit Prof. Dr. H.-D. Höltje, Düsseldorf, werden die dargestellten Verbindungen in Molecular-Modeling-Untersuchungen einem rationalen Wirkstoffdesign unterworfen (K. Gaedt, H.-D. Höltje, H. Stark, s. Abbildung: Dopamine in 7 TM).

Neue pharmakologische Befunde zeigen, daß Dopamin-D3-Rezeptoren ebenfalls eine wichtige Rolle bei verschiedenen Suchterkrankungen spielen wie z.B. der Kokainsucht. Obwohl volle Dopamin-D3-Rezeptoragonisten das Verlangen nach der Rauschdroge stark reduzieren, erscheint dieses nicht der optimale therapeutische Ansatz. Zur Normalisierung des Verhaltens scheinen eher Stoffe geeignet zu sein, die gleichzeitig sowohl eine agonistisch als auch eine antagonistisch Wirkqualität beinhalten. Dieses Konzept kann mit partiellen Agonisten realisiert werden. Optimierungen eine Leitstruktur in Kooperation mit Prof. Dr. C.G. Wermuth, Strasbourg, zeigen, daß bereits geringe Molekülveränderungen zu einer drastischen Veränderung der intrinsischen Aktivität führen können. Struktur-Wirkungsbeziehungen zu partiellen Agonisten sind noch relativ selten und stellen eine interessante Herausforderung für die Medizinische Chemie dar. Zur pharmakologischen Untersuchung der neu dargestellten Verbindungen werden diese zunächst in Bindungsstudien auf ihre Affinität untersucht und ausgewähle Substanzen in weiteren funktionellen Tests charakterisiert. Dieses geschieht in enger Kooperation mit Dr. P. Sokoloff, Paris. Auf diese Art und Weise können Agonisten, partielle Agonisten, Antagonisten und in Zukunft auch inverse Agonisten identifiziert werden.

Von besonderem Interesse sind auch hier radioaktive Verbindungen, mit denen am lebenden Oranismus das Schicksal der Substanz und die Beeinflussung der Körperfunktionen verfolgt werden können. Vorstufen von hochwirksamen Substanzen werden von Kooperationspartnern nach selbst entwickelten Methoden mit kurzlebigen radioaktiven Isotopen markiert und somit durch spezielle Verfahren im lebenden Körper sichtbar gemacht. Mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und/oder der Single-Photonen-Emissions-Computertomographie (SPECT) werden fundiertere Erkenntnisse zur Neurotransmission erwartet sowie ebenfalls kürzere Entwicklungszeiten für Arzneistoffe erhofft, die im Zentralnervensystem angreifen.
Durch Kooperationen im Rahmen des BIOMED II-Programms der europäischen Union mit 7 Forschergruppen aus 4 europäischen Ländern sowie im Rahmen eines Förderprogramms des U.S. amerikanischen National Institute on Drug Abuse (NIDA) mit 4 international renommierten Gruppen werden vielversprechende Verbindungen umfassend pharmakologisch evaluiert.

 

Histaminrezeptoren

Die Histaminrezeptoren können ebenfalls in Subrezeptoren differenziert werden. Während beim Histamin-H1- und -H2-Rezeptor die anfängliche pharmakologische Charakterisierung durch molekularbiologische Erkenntnisse erweitert werden konnten, steht die Klonierung und Sequenzierung des Histamin-H3-Rezeptors seit längerem aus. Radioliganden stellen nützliche pharmakologische Werkzeuge dar, mit denen die Rezeptorisolierung vorangetrieben werden kann. [125I]Iodoproxyfan stellt den bisher potentesten und selektivsten H3-Rezeptorradioliganden dar. Intensive pharmakologische Untersuchungen zeigten, daß diese Verbindung in verschiedenen Testsystemen ebenfalls eine agonistische Wirkkomponente aufweist.
Neben den agonistisch wirksamen Prodrugs, von denen sich die Verbindung FUB 94 (BP 2.94) sich z.Z. in Phase II der klinischen Prüfung befindet, konnten neue Agonistenklassen aufgefunden werden, bei denen eine Prodrugbildung aufgrund der pharmakokinetischen Eigenschaften nicht notwendig ist.
In dem Antagonistenbereich konnten ebenfalls hoch potente, selektive und gut verträgliche Liganden entwickelt werden, die in einem Dosisbereich von weit unter 1 mg/Kg Körpergewicht eingesetzt werden können. Ciproxifan (FUB 359) befindet sich derzeit in der präklinischen Entwicklung. Die verschiedene Entwicklungen konnten durch internationale Kooperationen im Rahmen des BIOMED II Programms vorangetrieben und durch mehrere Patentschriften geschützt werden. Diese Forschungen werden in enger Kooperation mit Prof. Dr. Dr. W. Schunack durchgeführt.
 

NMDA-Rezeptoren

 

 

N-methyl-D-aspartat (NMDA)-Rezeptoren kommen ubiquitär im Zentralnervensystem vor und zählen zu den sog. exzitatorischen Aminosäurenrezeptoren. Diese werden unterteilt in metabotrope (G-Proteingekoppelte) Glutamatrezeptoren mit sieben putativ transmembranären Domänen und  ionotrope Glutamatrezeptoren mit drei transmembranären und einer membranären Domäne. Letztere stellen ligandengesteuerte Ionenkanäle dar und werden nochmals aufgegliedert in  Kainat-(2-[2-Carboxy-4-(2-propenyl)pyrrolidin-3-yl]acetat-, AMPA-(2-Amino-3-(3-hydroxy-5-methylisoxazol-4-yl) propionat- und NMDA-Rezeptoren, wobei letzteren ganz besondere Eigenschaften zugesprochen werden. Folgende Besonderheiten gelten als charakteristisch:

  1. Rezeptoraktivierung durch L-Glutamat und Glycin als Koagonist

  2. Spannungsabhängige Mg2+-Blockade des Ionenkanals

  3. Permeabilität des Ionenkanals für K+, Na+ und Ca2+-Ionen

In physiologischer Hinsicht  ergibt sich daraus  für den NMDA-Rezeptor  eine wesentliche Beteiligung an Lern- und Gedächtnissvorgängen. Pathophysiologisch ist er maßgeblich in das Geschehen zahlreicher neurodegenerativer Störungen involviert, wie beispielsweise Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson und Schizophrenie.

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